„Das Persönliche in meinem Beruf, das kann man mit einer Online-Bestellung nicht herzaubern.“
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Was man sich unter einem erschwerten Start in die Selbstständigkeit vorstellt, hat Mag. pharm. Anna Katharina Wurzer hautnah erlebt. Im Mai 2020 hat sie die Bahnhof Apotheke in Graz übernommen – zu einem Zeitpunkt, als die erste Corona-Welle Österreich in einen absoluten Ausnahmezustand versetzt hat. Wie sie das gemeistert hat, welche Zukunftsvisionen sie hat und was ihr an ihrem Beruf besonders gefällt, hat sie uns beim Gespräch in ihrer Apotheke erzählt. Sie haben am 1. Mai 2020 die Apotheke am Bahnhof Graz übernommen. Wie ist es Ihnen ergangen? Ja, das war eine spannende Zeit! Durch die Pandemie waren die Büros plötzlich nur mehr halb besetzt. Ob es sich zeitlich ausgehen wird und es alle Unterschriften rechtzeitig dorthin schaffen, wo sie auch hinsollen, das wussten wir bis zum Schluss nicht. Zusätzlich zu diesen Herausforderungen kam im März der erste Lockdown, den wir natürlich im Mai noch gespürt haben.
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Die Selbstständigkeit war nicht die einzige Herausforderung für Sie in diesem Jahr. Ihr Sohn Maximilian kam Anfang September 2020 zur Welt und ist seither immer an Ihrer Seite, auch bei der Arbeit in der Apotheke. Wie sieht Ihr Tag aus? Am Anfang war es sehr praktisch, da hatte ich ihn in der Babytrage immer bei mir. Mittlerweile ist er schon größer, krabbelt und unterhält die ganze Apothekenmannschaft. Organisatorisch ist das oft eine Herausforderung. In der Früh wird er meistens gleich im Pyjama ins Auto gesetzt und schläft noch auf dem Weg zur Arbeit. Wenn Maximilian dann aufwacht, gibt es erst einmal Frühstück. Danach kommt er quasi in sein Arbeitsgewand und es kann losgehen. Und Maxi macht da wirklich brav mit, ist interessiert an Allem was sich bewegt und begegnet anderen Menschen sehr offen. Schlafen kann er überall, in seiner Gehschule im Aufenthaltsraum oder auch im Kinderwagen. Er ist da recht unkompliziert. Wenn Maximilian ein Jahr alt ist, kann er dann zumindest stundenweise schon zur Tagesmutter. Das ist derzeit der Plan. Da wird es dann auch leichter. Der Andrang in den Apotheken ist groß. Wie geht es Ihnen mit den Covid 19-Gratistests? Zuerst haben wir noch stundenweise getestet, aber jetzt geht das nicht mehr. Die Nachfrage ist riesig und die Testungen haben überhand genommen. Ich habe mein Büro in der Apotheke dafür geopfert und nach Hause verlegt. Dort wird dann meistens nachts noch die Buchhaltung erledigt. Das ist meine Zeit, wo ich die Dinge in Ruhe erledigen kann. Schlafen Sie auch? Gelegentlich (lacht). Es ist eine Challenge, jeder Tag aufs Neue. Aber es funktioniert gut. Hatten Sie Einbußen durch die Lockdowns? Der oder mittlerweile die Lockdowns haben schon eine Rolle gespielt. Der Hauptbahnhof Graz ist ein zentraler Verkehrsknotenpunkt. Viele unserer Kundinnen und Kunden kommen am Weg von oder zur Arbeit bei uns vorbei. Diese Kunden sind während des Lockdowns größtenteils ausgeblieben. Mit den pandemiebedingten Reisebeschränkungen sind zusätzlich auch die Reisenden aus dem Ausland weggefallen. Das haben wir schon sehr stark gespürt. Wir leben doch auch von der Laufkundschaft. In unserer unmittelbaren Umgebung gibt es sehr viele Firmen und Büros, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Home-Office geschickt haben. Das hat es für uns nicht unbedingt leichter gemacht. Diese Kundschaft ist zusätzlich weggeblieben. Es gab Zeiten, da haben wir uns schon gefragt, wie es weitergehen soll und was als Nächstes kommen wird. Entstehen da nicht massive Existenzängste? Natürlich! Niemand wusste, ob und wie lange der Lockdown weitergehen wird. Was noch beschlossen wird. Jede Woche kamen neue Richtlinien und Beschlüsse. Das hat natürlich eine gewisse Flexibilität gefordert. Fixe Themenschwerpunkte wie beispielsweise die Sommerreiseapotheke waren jetzt nicht mehr so relevant. Das Schwierige dabei war, dass man einfach nichts mehr planen konnte.
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Gab es auch Lieferengpässe bei Medikamenten? Ja, teilweise. Am Beginn der Krise ist doch sehr viel eingekauft worden. Etwa in Drei-Monats-Rationen, die von den Krankenkassen auch so bewilligt wurden. Viele Menschen haben dann zu schnell in zu großen Mengen ihre Medikamente gekauft. Jene, die das nicht gemacht haben und ihre monatliche Ration abholen wollten, sind dadurch teilweise auf der Strecke geblieben. Ja, durch diese Hamsterkäufe ist es tatsächlich teilweise zu Engpässen gekommen. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem E-Rezept gemacht? Man hat sich natürlich aus der Situation heraus schnell anpassen müssen. Es gibt da und dort kleine Verbesserungsarbeiten, aber an sich hat das E-Rezept rasch sehr gut funktioniert. Man sieht dabei, dass besondere Zeiten doch besondere Maßnahmen erfordern. Und vieles aus der Not heraus einwandfrei funktionieren kann. Das E-Rezept wird nach wie vor gut angenommen und von vielen Ärztinnen und Ärzten auch verlangt. Ich habe mit dem E-Rezept gute Erfahrungen gemacht. Obwohl für uns Apothekerinnen und Apotheker der administrative Aufwand dadurch deutlich gestiegen ist.
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Die Corona-Krise gilt als Treiber für die Digitalisierung. Wie sehen Sie das für den Apothekenbereich und für Ihre Apotheke speziell? Wir sind ein recht junges Team in der Apotheke und sehr interessiert und offen für innovative Ideen. Vor Kurzem ist unsere neue Webseite inklusive Online-Shop gestartet. Der nächste große Digitalisierungsschritt für Apotheken wird das tolle Tool der Telemedikation sein. Es funktioniert im Grunde so, dass eine Ärztin oder ein Arzt zu gewissen Zeiten online per Skype oder Zoom in die Apotheke zugeschaltet wird. Gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden wird eine individuelle Medikation zusammengestellt. Das Rezept wird anschließend mittels E-Medikation direkt an die Apotheke gesendet. Eine wesentliche Vereinfachung für Patientinnen und Patienten. Derzeit kommen hier Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner zum Einsatz. Je nach Problemstellung wird das zukünftig auch mit Fachärztinnen und Fachärzten möglich sein. In einigen wenigen Apotheken in Österreich wird die Telemedizin schon umgesetzt. Auch wir werden das anbieten. Das wird die Zukunft sein. Natürlich ist die Digitalisierung im 21. Jahrhundert ein wichtiger Schritt. Trotzdem glaube ich, dass das Persönliche in meinem Beruf weiterhin ein essenzieller Aspekt bleiben wird. Darin sehe ich auch die Stärke von Apotheken, in der individuellen und persönlichen Beratung. Als wichtiger Dienstleister vor Ort. Das kann man mit einer Online-Bestellung nicht herzaubern. Warum haben Sie die Standesbank als Finanzpartner gewählt? Ich habe mich damals bewusst für die Österreichische Ärzte- und Apotheker Bank entschieden. Aufgrund ihrer Spezialisierung wissen sie einfach, worauf es ankommt. Sie kennen die Dimensionen und Nöte unseres Berufs. Man fühlt sich gut aufgehoben und hervorragend betreut mit deren Expertise. Auch bei der Veranlagung und anderen Anliegen. Das muss ich schon sagen. Was gefällt Ihnen besonders an Ihrem Beruf? Auf die Wünsche oder Probleme der Kundschaft eingehen zu können, sie individuell zu besprechen und gleich vor Ort zu lösen. Das Schöne dabei ist, Menschen zu helfen. Die Menschlichkeit ist schon ein wichtiges Thema in unserem Beruf. Unsere Kundinnen und Kunden kommen täglich mit vielen, völlig unterschiedlichen Anliegen zu uns. Gerade jetzt, in dieser schweren Zeit. Die Menschen kommen zu uns, weil sie etwas brauchen und wenn man weiß, dass diese Kundin oder dieser Kunde die Apotheke mit beruhigtem Gewissen verlässt, dann ist das einfach ein schönes Gefühl. Würden Sie sich rückblickend auf das vergangene Jahr wieder selbstständig machen? Natürlich steht man immer wieder vor neuen Herausforderungen und Entscheidungen, aber ich würde es auf alle Fälle wieder genauso machen. Ja, zweifelsohne. Welche Zukunftsvisionen haben Sie für Ihre Apotheke? Wir werden demnächst in ein größeres Geschäftslokal übersiedeln. Das neue Geschäftslokal steht schon seit Jahren leer. Es ist wieder am Bahnhof, nur zwei Häuser weiter. Schon beim ersten Besuch habe ich mir gedacht: Das wäre interessant, da könnte man was daraus machen. Und so ist es jetzt auch gekommen. Wir befinden uns derzeit mitten in der Planungsphase. Das wird noch ein spannendes Jahr werden, aber ich bin zuversichtlich. Was das Virus betrifft, glaube ich, dass wir lernen müssen, damit zu leben. Auch mit den Mutationen. Die Situation wird sich hoffentlich über den Sommer ein wenig beruhigen und vielleicht auch bald wieder der Normalzustand einkehren. Dann können wir wieder planen. Wie in den Jahren zuvor. Bei uns geht es jedenfalls spannend weiter, wir haben noch einiges vor. Mag. pharm. Anna Katharina Wurzer – zur Person 2020 übernahm Anna Katharina Wurzer die Leitung der seit 1972 bestehenden Bahnhof Apotheke Graz. Innovativ und immer am Puls der Zeit setzt sie bei sich und ihrem Team stets auf Weiterbildung mit einem klaren Ziel: noch bessere und wirksamere Produkte für ihre Kundinnen und Kunden zu etablieren. Am wichtigsten ist für sie der persönliche Kontakt zu ihrer Kundschaft. Als Familienmensch und Mutter führt sie ihre Apotheke ganz nach dem Motto „Kompetentes Service mit Herz und rasche Hilfe für die ganze Familie.“